Presseaussendung 29.6.22 13h

 #dieRegisseur*nnen zu der aktuellen #metoo-Debatte

Niemand soll auf einem Filmset die Würde verlieren

Bereits 2017 machte Katharina Mückstein, Regisseurin, Produzentin und Mitglied bei #dieRegisseur*nnen, einer Kooperative von über 40 Filmregisseur*innen, anlässlich der #metoo Debatte auf den Sexismus in der österreichischen Filmbranche aufmerksam. 

Sie wurde nicht gehört. Diese „Schweigekultur“, wie Mückstein den fehlenden Diskurs nennt, wurde vergangene Woche von ihr auf Instagram aufgebrochen. Hunderte Betroffene aus der Filmbranche haben reagiert und mit ihren anonymisierten Erfahrungsberichten gezeigt, dass es sich bei sexuellen, gewalttätigen oder diskriminierenden Übergriffen bei Filmproduktionen, auf Theaterbühnen und in Ausbildungsstätten um ein systemimmanentes Problem und einen akzeptierten Machtmissbrauch handelt. Das Ausmaß hat sowohl die Branche als auch die Öffentlichkeit aufgerüttelt. Aber werden die „Mächtigen“ und die Menschen in verantwortlichen Positionen darauf reagieren und welche Schritte werden sie setzen, um die Situation nachhaltig zu verändern?

„Warum gibt es immer noch keinen Rahmen, indem sich Betroffene trauen, über ihre Verletzungen zu sprechen und die Täter*innen zu benennen? Warum werden Betroffene nicht dabei unterstützt diese, uns alle betreffenden und betroffen machenden Missstände aufzuklären und zu verändern?“ fragt Regisseurin Elisabeth Scharang und bezieht sich auf ein Schweigebündnis, das seit Jahren vor allem prominente Vertreter*innen der Film- und Theaterbranche davor schützt, in die Verantwortung genommen zu werden, wenn sie ihre Macht missbrauchen.

„Viele von uns kennen Kolleg*innen, die während ihrer Arbeit, ob vor oder hinter der Kamera, sexuell belästigt, gedemütigt, beleidigt, oder gestalkt wurden. Ich habe selbst Erfahrungen mit diesem System, in dem weggeschaut wird. Wir werden diesen Machtmissbrauch nicht länger tolerieren!“ sagt Regisseurin Katharina Mückstein.
Die österreichische Filmbranche hat sich in den letzten zwölf Jahren durch die filmpolitische, feministische Arbeit von FC Gloria verändert und durch die Debatte rund um die Geschlechterquote in der Filmförderung einen Schritt weiterbewegt. Dazu kommen aktuelle Gerichtsprozesse, wie die gegen Medienmacher Wolfgang Fellner, der von couragierten Frauen wegen Machtmissbrauch und sexueller Belästigung erfolgreich verklagt wird. All das hat den Boden für die aktuelle #metoo-Debatte bereitet. 

„Für uns stehen konkrete Fragen im Raum: Warum sind die meisten Vorfälle bisher ohne arbeitsrechtliche oder juristische Konsequenzen geblieben? Warum gibt es innerhalb der Branche keine Strategien im Umgang mit solchen Situationen?“ eröffnet Regisseurin Barbara Eder die dringend notwendige Diskussion über konkrete Veränderungen. „Wie können wir einen Arbeitsplatz FILMPRODUKTION schaffen, an dem ein respektvoller und angstfreier Umgang selbstverständlich ist?“ 

In der Kooperative #dieRegisseur*nnen haben sich über 40 namhafte Filmregisseur*innen formiert, die im letzten Jahr aus dem Verband Filmregie Österreich ausgetreten sind, weil sie den toxischen Umgang innerhalb des Verbandes und das fehlende Bekenntnis zu einer geschlechtergerechten Vergabe von Filmfördermitteln nicht mehr hinnehmen wollten.
 
„Die aktuelle Situation zeigt, wie wichtig es ist, dass mehr Frauen Filme machen, in denen Frauen gehört und gesehen werden, aber auch in denen Frauen die Produktionsbedingungen definieren.“, formuliert Regisseurin Bernadette Weigel eine der Forderungen von #dieRegisseur*nnen.

„Wir wollen, dass unser Arbeitsplatz frei ist von Sexismus und Rassismus.“ sagt der Filmemacher und Künstler Edgar Honetschläger, der ebenfalls Mitglied der Kooperative ist. „Und dass sich niemand schützen muss, um unversehrt aus einem Filmprojekt herauszukommen.“ setzt Regisseurin Laura Nasmyth nach.

Neben dem Sammeln und Dokumentieren von Erfahrungsberichten – sowohl aus den eigenen Reihen der Regisseur*innen, als auch von Betroffenen aus anderen Bereichen der Branche - geht es für #dieRegisseur*nnen um die Frage: Wie können Betroffene bestmöglich juristisch begleitet werden? Die Angst vor den Kosten, die eine zivilrechtliche Klage bringt, verhindert oft den Schritt vor Gericht und an die Öffentlichkeit. Ebenso die Angst, den Job zu verlieren oder nicht mehr engagiert zu werden.
 
„Diese Dynamik der Schuldumkehr gilt es endlich zu durchbrechen. Und wir fordern, dass Produzent*innen ihrer Fürsorgepflicht für ihre Mitarbeiter*innen nachkommen!“, sagt Regisseurin Tereza Kotyk.

„Wenn wir unter Kolleginnen in den letzten Tagen über die aktuelle #metoo-Debatte diskutieren, dann merken wir, woran wir uns gewöhnt haben, wenn es um Anzüglichkeiten und Abwertungen geht. #metoo beginnt nicht erst bei einem erzwungenen Oralverkehr; es beginnt bei jedem Verlust von Würde – vor und hinter der Kamera“, fasst Regisseurin Marlies Pöschl zusammen.


ZITATE von Betroffenen, die auf Instagram gepostet haben: 
@dieregisseur.nnen
@katharina_karli_pincopallina
@we_do!

„Ich trage eine Kamera auf der Schulter und der Location-Manager fragt mich, ob ich die „Masken-Schnecke“ bin. Der Oberbeleuchter nennt mich „Kamera-Puppe“ und auch nach zwei Monaten, egal wieviel Mühe, Selbstbewusstsein und Arbeitsaufwand ich als DOP bringe, ich bleibe die „Kamera-Puppe“. Was für die Männer, die das sagen, ein Witz ist, ist mein Leben und mein Beruf. Sind mein Leben und mein Beruf also ein Witz, weil ich eine Frau bin? Und ich frage mich: wie redest du erst, wenn ich keine weiße able bodied cis Frau wäre?“

„Ich habe in einer bekannten österreichischen Serie eine Prostituierte gespielt. Mein Szenenpartner, ein sehr bekannter österreichischer Schauspieler, nimmt nach dem Ende der Szene, bevor ich aufstehen kann, meinen Kopf in beide Hände und drückt ihn Richtung seinem Schoß. Er ahmt damit einen „Blowjob“ nach und bricht in schallendes Gelächter aus. Die männlichen Crewmitglieder lachen kräftig mit. Ich habe lange gebraucht, um über diesen Schock hinwegzukommen.“

„Nach der Generalprobe sagte der Regisseur: „Ihr seid nicht sexy genug. Ich will, dass alle Männer im Publikum einen Ständer kriegen, wenn sie euch anschauen. Ich will, dass sie euch ficken wollen, gebt mir das!“ Ich war als Regieassistentin fassungslos, alle waren schon so gewöhnt an diese Sager, dass es außer mir niemanden mehr großartig aufregte.“

Rückfragen und Info:  https://www.dieregisseur-nnen.at